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Veröffentlicht 20. Dezember 2017 von Ben Feringa

Die Freude am Entdecken

Bernard L. Feringa

Nur wenige Ereignisse in der Karriere eines Wissenschaftlers hinterlassen einen so bleibenden Eindruck wie die Lindauer Nobelpreisträgertagung. Gräfin Bettina Bernadotte und die Mitarbeiter der Geschäftsstelle des Kuratoriums begrüßen hunderte junge Nachwuchswissenschaftler aus aller Welt an diesem wunderschönen Ort am Bodensee und laden sie zum Austausch mit Nobelpreisträgern ein. Weit mehr als in meiner täglichen Freude an der Entdeckung der molekularen Welt habe ich dort die Begeisterung und die stimulierende Atmosphäre wahrgenommen, die durch die Gespräche mit so vielen begabten jungen Menschen entsteht. Die Vorträge von hervorragenden Nobelpreisträgern, die sich mit unterschiedlichen Aspekten unserer Disziplin und weit darüber hinaus beschäftigt haben, waren ebenso anregend und boten vielfältige Möglichkeiten, neue Fenster in unsere gemeinsame Zukunft zu öffnen. Diese unvergessliche Veranstaltung, die sich durch eine perfekte Organisation und eine zuvorkommende Behandlung auszeichnet, lässt selbst die jüngsten Teilnehmer stolz darauf sein, Wissenschaftler zu sein. Die zahlreichen Diskussionen mit den Studenten haben mich lebhaft an meine eigene Zeit als junger Wissenschaftler erinnert – das Staunen über und die Leidenschaft für die Chemie, aber auch der Kampf mit den Entscheidungen. Welches sind die wichtigsten Themen der Zukunft? Welche Richtung soll man einschlagen? Wie geht man mit den unwegsamen, verschlungenen Wegen der Entdeckungsreise um? Wie findet man die Balance im eigenen Leben? Wie lassen sich die Ratschläge eines Helden des eigenen Forschungsgebiets auf die persönliche Wirklichkeit übertragen? Und wie findet man das richtige Verhältnis zwischen Wissen und Intuition? Es hat mir eine große Freude bereitet, den Beginn der wissenschaftlichen Reise dieser Menschen zu erleben und meine persönlichen Erfahrungen an diese wagemutigen und ambitionierten jungen Frauen und Männer weitergeben zu können.

Nur wenige Ereignisse in der Karriere eines Wissenschaftlers hinterlassen einen so bleibenden Eindruck wie die Lindauer Nobelpreisträgertagung.

Die Möglichkeit, durch intensive Gespräche mit Teilnehmern aus aller Welt für die allgemeinen Werte der Wissenschaft eintreten zu können – unsere Verantwortung für die Menschheit und die wichtige Rolle, die die ‘Qualität des Denkens’ in der wissenschaftlichen Ausbildung spielt –– ist für mich einer der wesentlichen Schätze der Lindauer Tagungen. Das erstreckt sich auch auf die vielen Gelegenheiten des Kontakts zur Presse, bei denen man die Schönheit und die Kraft der Chemie als zentraler Naturwissenschaft und die wichtige Rolle aller jungen Nachwuchstalente, die in Lindau zusammentreffen, im Sinne ihres maßgeblichen Beitrags zur Erfindung unserer Zukunft hervorheben kann. Die enormen Anstrengungen der Organisatoren von Lindau, die Community auf breiter Ebene anzusprechen, verdienen Beifall. Die inspirierenden Vorträge und die gesellschaftlichen Events auf hohem Niveau, wie etwa der bezaubernde ‘Mexikanische Abend’, boten uns die richtigen ‘Flügel’, um gleichsam durch diese herrliche Woche zu fliegen.

 

Ben Feringa with young scientists during the 67th Lindau Metting. Photo/Credit: Julia Nimke/Lindau Nobel Laureate Meetings

Ben Feringa mit Nachwuchswissenschaftlern während der 67. Lindauer Tagung. Photo/Credit: Julia Nimke/Lindau Nobel Laureate Meetings

 

Das absolute Highlight der Veranstaltung war für mich das fast zweistündige Diskussionsforum mit einer großen Gruppe von Studenten. Die Themen reichten dabei von persönlichen Höhepunkten über entscheidende Momente meiner Karriere bis hin zu herausfordernden Fragen des Publikums zur Zukunft unserer Disziplin. Die Erfahrungen, die die Studenten aus verschiedenen Kontinenten einbrachten, machten diese spezielle Begegnung zu einer intensiven Erfahrung des Voneinanderlernens. Für mich war das ein schönes Beispiel für das Wesen der Wissenschaften, nämlich Fragen stellen und in eine wissenschaftliche Debatte einsteigen. Es hat mir viel Freude bereitet, mit den Studenten meine Sichtweise darüber zu teilen, wie man sein Talent als Wissenschaftler entdeckt: „Vertrauensvoll den eigenen Träumen folgen, da man dann genau das entdecken kann, was einem viel Energie gibt, und die eigenen Grenzen in diesem Abenteuer des Unbekannten jenseits des aktuellen Horizonts erkennen.”

Die Entdeckungsfreude der Studenten, sowohl auf wissenschaftlicher als auch auf persönlicher Ebene, die während der Woche in Lindau in all ihren Facetten zu erleben war, wird den weiteren Weg dieser jungen Chemiker nachhaltig prägen. Die Lindauer Tagungen schaffen ein hervorragendes „Laboratorium“ für junge Talente, den Gestaltern unserer Zukunft.

 

Diesen und weitere Berichte über die 67. Lindauer Tagung finden sich im Jahresbericht 2017.

 

Ben Feringa

Dutch chemist Ben Feringa was awarded the Nobel Prize in Chemistry 2016 together with Jean-Pierre Sauvage and Sir J. Fraser Stoddart. He first attended the Lindau Meeting in 2017.